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In diesem Abschnitt sollen die heute, Stand 2023, erkennbaren Trends der IT-Entwicklung behandelt werden. Dies betrifft vor allem
- das zunehmende Cloud Computing,
- die Trends zur Nutzung von Big-Data-Anwendungen,
- die Integration von Künstlicher Intelligenz in Softaresysteme und vor allem
- die grundlegende Änderung der Arbeitsformen durch virtuelles und hybrides Arbeiten.
Die Entwicklungen in diesen Bereichen werden die Arbeitswelt von morgen und übermorgen grundlegend verändern. Mit Ausnahme des mobilen Arbeitens erfolgen sie nicht in großen spektakulären Schüben, sondern eher schleichend. Eine Rahmenvereinbarung, die den Anspruch hat, gestaltend auf die IT-Technik einzuwirken, muss sich diesen Herausforderungen stellen.
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Cloud Computing |
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Cloud-Anwendungen entziehen den Betriebsräten einen großen Teil ihrer Mitbestimmungsmöglichkeiten, da die Unternehmen nur geringfügigen Einfluss auf die Konfiguration der Systeme haben. Dieser Effekt verstärkt sich noch bei multinationalen und zentral geführten Unternehmen, die ihren Betriebsstätten eine (oft weltweit) einheitliche Installation aufzwingen. Dennoch ergeben sich auf lokaler Ebene z.B. im Rahmen des Customizing Einflussmöglichkeiten, auf deren Ausnutzung die Betriebsräte bestehen sollten.
Cloud-Anwendungen sind für viele Unternehmen zumindest in der Anfangsphase attraktiv, weil sie sowohl auf der Hardware- als auch auf der Softwareseite Administratortätigkeiten einsparen. Die entsprechenden Arbeitsplätze bleiben in der bisher gewohnten Form nicht bestehen. Eine Handlungsmöglichkeit für Betriebsräte bestünde darin, in einem jährlich wiederholten Meeting sich üder den aktuellen Stand des Cloud-Einsatzes und die Planungen für die kommende Periode zu informieren und zu beraten, welche Auswirkungen dies auf betroffene Arbeitsplätze hat. In diesem Zusammenhang sei an eine norwegische Gesetzesregelung erinnert, die Unternehmen verpflichtet, neue Beschäftigungsmöglichkeiten für vom technikbedingten Verlust ihres Arbeitsplatzes bedrohte Beschäftigte zu entwickeln. Man kann versuchen, ähnliche betriebliche Regelungen zu treffen und zumindest das Unternehmen zu geeigneten Qualifizierungen verpflichten.
Die Voreinstellungen fast aller Cloud-Anwendungen sind unter Datenschutz-Gesichtspunkten unzureichend. Hier könnte die Rahmenvereinbarung dafür sorgen, dass das Prinzip privacy by default (also maximaler Datenschutz) bei der Inbetriebnahme praktiziert wird und Abweichungen einer ergänzenden Regelung bedürfen.
Dem Cloud-Computing liegt das Geschäftsmodell zugrunde, dass nicht mehr Lizenz und Wartung sondern die Menge der übertragenen Daten bezahlt werden muss. Deshalb bemühen sich die Anbieter, ihre Anwendungen so zu gestalten, dass immer mehr geklickt werden muss. Dies hat zur Folge, dass die Benutzerinnen und Benutzer immer stärker an Computer als Arbeismittel gebunden werden, mit vielen negativen Folgen, vor allem für ihre Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit (vgl.. M. Spitzer Cyberkrank). Deshalb wäre es wünschenswert, Regelunen zu finden, die das allgegenwärtige Klicken auf ein Midestmaß herunterfahren.
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Big Data-Anwendungen |
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Viele vor allem Cloud-Anwendungen sind verbunden mit Big-Data-Hintergrundsystemen ihrer Anbieter (Beispiel Microsoft 365 und dessen Hintergrundsystem Microsoft Graph). Dabei werden oft in beträchtlicher Menge Daten an das Anbieter-Unternehmen transferiert. Wenn es sich dabei - wie z.B. bei Microsoft - um Daten über die Aktivitäten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern handelt, ist Vorsicht geboten. Zumindest eine Informationspflicht des Unternehmens gegenüber dem Betriebsrat über Art und Umfang der an Hintergrundsysteme der Anbieter übermittelten Daten sollte vereinbart werden.
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Künstliche Intelligenz |
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Immer mehr Anwendungssysteme werden mit Elementen künstlicher Intelligenz durchzogen. Vieles wird von den Herstellern versprochen, oft erweist sich darunter nur wenige Nützliches. Aber die Situation ändert sich dauernd. Deshalb ist es erforderlich, sich sowohl über für das Unternehmen in Betracht kommende Einsatzmöglichkeiten als auch über den tatsächlich erfolgenden Einsatz
in regelmäßigen Abständen auszutauschen.
Einige Grundätze lassen sich jedoch heute (Stand 2023) formulieren:
- Auf die Nutzung von Systemen der automatisierten Gesichts- und Spracherkennung im internen Betrieb sollte verzichtet werden (Damit sind nicht Telefonie und Videoconferencing gemeint; hier allerdings bedarf es Absprachen über die Umstände erlaubter Speicherung von Bildern, Videos und Sprache der Mitarbeitenden).
- Auf Systeme mit KI-gestützter Stimmanalyse oder Analyse der Körpersprache (Sentimentanalyse, andere Formen Spracherkennung, insbesondere des affective Computing, Emotionsscanner in Chatfunktionen) sollte ebenfalls verzichtet werden.
- Mustererkennung bezogen auf das Verhalten der Mitarbeitenden ist ein schwieriges Thema (siehe Microsoft Graph). Um abweichendes Verhalten diagnostizieren zu können, benötigen die Systeme ein Modell für die Normalität. Diese verborgenen Normen sind nicht bekannt und hochgradig fehleranfällig.Urteilsfehler. Anwendungen dieser Art sollten ausgeschlossen werden, zumindest so lange, bis es Systeme gibt, die ihre Algorithmen erklären können und denen man zustimmen kann.
- KI-Anwendungen mit Mustererkennungsfunktionen, die auf das Benutzerverhalten bezogen sind, neigen zu Übergriffigkeit, indem sie meinen, den Benutzerinnen und Benutzern vorschreiben zu können, was sie als Nächstes tun sollen. Folgt man dieser Entwicklung in Richtung eines Leitbildes des betreuten Arbeitens, so darf man sich nicht wundern, wenn das Unternehmen an Computern klebende Beschäftigte hat, denen Eigenständigkeit, Kreativität und Initiative langsam abhanden kommen. Manfred Spitzer hat diese Schäden in seinem Buch Cyberkrank anschaulich beschrieben. Man sollte alle in diese Richtung gehenden Funktionen so weit wie möglich deaktivieren.
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Für den Umgang mit KI-unterstützten Chatbots werden Trainings angeboten, in denen die Beschätigten das sinnvolle Formulieren von Fragen lernen können, über die Grenzen der Leistungsfähigkeit solcher Systeme (sog. Halluzinieren) informiert werden und Hinweise auf Probleme für die Computersicherheit erhalten.
- Besondere Aufmerksamkeit verdienen Systeme, die automatisierte Hilfen bei der Beurteilung von Beschäftigten liefern. Dies geschieht oft in Scoring-Listen für Auswahlentscheidungen. Hier verschwindet die Trennlinie zwischen nützlicher Arbeitserleichterung für die Personaler und Verletzung der Persönlichkeitsrechte in einer breiten Grauzone.
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Mobiles und hybrides Arbeiten |
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Es wird nach Corona nur eine teilweise Rückkehr zu den Arbeitsformen mit Präsenzpflicht geben. Viele Unternehmen experimentieren mit sehr unterschiedlichen Formen des hybriden Arbeitens, ohne dass klare Konzepte erkennbar sind. Man sollte dieses Experimentieren nicht dem Zufall überlassen, sondern kontrolliert begleiten. Im Folgenden einige wichtige Grundsätze:
- Teams und Arbeitsbereichen wird die Möglichkeit eingeräumt, in einer (zeitlich befristeten) Experimentierphase selber über die Art ihres Arbeitens zu entscheiden. Erst nach einer gemeinsamen Bewertung der Erfahrungen wird eine vorläufige Festlegung auf erarbeitete Modelle getroffen.
- Das Unternehmen stellt die erforderlichen Hilfsmittel zur Verfügung: Präsentation von Modellen, Ausstattung der Mitarbeitenden mit zeitgemäßer Technik (Hardware und Software) , Einrichtung und Verfügbarkeit geeigneter Räumlichkeiten für hybrides Arbeiten, Unterstützung des Erfahrungsaustauschs unterschiedlicher Gruppen untereinander und bei Analysemethoden über die Erfordernisse der Arbeit usw.
- Betriebsrat und Unternehmen sollten eine geeignete Begleitform für den Erfahrungsaustausch und vor allem für die Maßnahmen während der Experimentierphase vereinbaren. Besonders Augenmerk gilt dabei auch der sozialen Komponente der neuen Arbeitsformen.
Einen Leitfaden für eine Vereinbarung Hybrides Arbeiten finden Sie hier.
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